Haustier an Bord!
43. SEEBRUCKER HAFENTROPHY, BLAUES BAND VON SEEBRUCK

(von Konrad Bauersachs) Der eine oder andere (oder alle?) Segler hält / halten sich ein Haustier: einen Ka­narien- oder anderen Vogel, Hund-Katze-Maus oder eine eierlegende Wollmilchsau beispielswei­se, bei mir ist der innere Schweinehund das Lieblingstier. Am Samstag hat sich der verbotener­weise im Krempel- und Schlüsselsack versteckt und ist so mit an Bord gekommen. Man sieht: Er ist zwar klein, aber hinterlistig und hartnäckig und versucht, meinen standfesten Charakter zu verderben. Da hockt er nun, wie auf einer Kanzel, feixend auf der Logge und Kompass am Mast und denkt laut vor sich hin: Bist Du denn be­scheuert, Regattasegeln bei fast keinem oder noch weniger Wind? Fahr‘ doch über die Startlinie und gleich wieder in den Hafen. Dann hast Du ein DNF drinstehen, das tut nicht so weh wie ein OCS oder DSQ. Und Du musst nicht schwitzen wie eine Wollmilchsau. Überzeugend war das nicht. Ich also halte dagegen: Und Du schreibst dann den Regattabericht? Vor lauter Lachen fällt er von seinem Predigtstuhl und klettert an den Fallen kichernd wieder nach oben. Na gut, spricht er zu mir, dem Charakterfesten: Mach‘ waste willst, segle und schreib‘ Deinen Bericht selber. Mein letztes Gegenargument waren die Prognosen von Kachelmann, Windfinder & Co. Weißt Du denn nicht (ich also zum inneren Schweinehund), dass diese und viele andere für Samstag einen netten und segelbaren Wind vorhergesagt haben?
Diesmal hält er sich gerade noch am Großfall fest und bleibt schnaufend und kichernd auf seinem Thron sitzen. Sag‘ mal, doziert das Untier in ernsthaftem Ton: Du (also ich) kennst doch sicher den Sänger und Liedermacher Reinhard Mey. Hurra, denke ich, jetzt hab‘ ich ihn: Themaverfehlung – Setzen – Sechs. Aber wie es sich zeigte, war das eine Fangfrage und ich fall‘ auch noch drauf rein:
Es gäbe da nämlich, so das Untier, ein Lied von Mey über einen Meteorologen, der von sich sagt
….Ich kann, wo ich will, hinkommen – Nirgends werd‘ ich ernst genommen! … (kompletter Text per Websuche über Reinhard Mey Meteorologe)
Ich beendete die Diskussion mit der klugen Bemerkung: Schluss jetzt, ich muss mich jetzt aufs Segeln konzentrieren. Das Haustier bat mich noch, eine Lenzklappe zu öffnen und tappte nach hinten zum kühlenden Nass. Tropfnass kroch es dann wieder nach vorne Richtung Schattenplätzchen und musste das letzte Wort haben: Sein „Du wirst schon sehen, dass ich Recht habe …“ klang fast wie eine Drohung. Und leider muss ich zugeben, dass er letztendlich doch irgendwie Recht hatte, nicht nur mich betreffend,
Das „aufs Segeln konzentrieren“ war -wie jeder ahnt- in der Tat eine Ausrede. Der Wind kam mal von da, dann von dort und auch noch von ganz anderswo, oder auch gar nicht, gelegentlich gleichzeitig innerhalb von 100 Metern von BB und StB. Starke Dreher machten speziell den schwereren Booten zu schaffen, die nicht so leicht wen­den und wieder zurückwenden können. Und dann gibt‘s auch noch die unberechenba­re und unsichtbare Strömung quer durch den See von der Achenmündung nach Nor­den bis Seebruck und zur Alz, die gnadenlos alles mit sich reißt und jede taktische Raffinesse verhindert. Also genug Zeit, nebenbei ein paar Fotos zu schießen von Boo­ten, die pfeilschnell übers Wasser gleiten und packenden Positionskämpfen an Boje 1 und all so was.
Nach etwa 4 ½ Stunden „Segelzeit“ schaffte ich es, die Tonne 1 zu runden und stand nach einem wenig ermutigendem Blick über den windlos-spiegelglatten Weitsee vor der Wahl: Weiterleiden in der Hitze, immer mit Blick auf das unerreichbare Regattaende um 17:00 Uhr oder zurück in den Kühlung verheißenden Hafen?
Mein Haustier musste ich dazu nicht befragen, denn an der Tonne 1 hatte sich bei einem MoBo ein Minischlepp nach Seebruck zusammengefunden, dem ich mich spontan anschloss. Pünktlich zum offiziellen Regattaende lag mein Boot auf dem Trailer.
Unterwegs traf ich auf das Sturmboot des SRV, umfunktioniert zur schwimmenden Verpflegungsstation, vollgepackt mit kühlen Getränken, Brezen und der Hafentrophy-Erinnerungs­tasse. Gute Idee und gerne genommen!
Trotz der schwierigen Bedingungen haben am Ende neun Teilnehmer (darunter die „üblichen Verdächtigen“) die Ziellinie innerhalb des Zeitlimits überquert. RESPEKT! Zehn Teilnehmer haben verständlicherweise das Handtuch geworfen und sind mit einem DNF heimgesegelt (hoppla, getuckert)
Die ersten drei Plätze gingen bei diesen Windverhältnissen klar an die Kats. Robert Egner (SRS) auf Foiler FF war der Gewinner des Blauen Bands (schnellstes Boot nach gesegelter Zeit), Daxenberger (SCBC) mit dem Maxi schaffte es auf Platz vier, gefolgt von Sebastian Seeberger (SRV) auf Joker, dem Gewinner der Hafentrophy. (für das nach berechneter Zeit erste Kiel- oder Kajütboot mit Heimathafen Seebruck): Den Dieter-Wicht-Preis (für das zweite Kiel- oder Kajütboot- mit Heimathafen Seebruck nach berechneter Zeit) gewann Klaus Skiebe (YCG) auf Argo 680.
Bewundernswert unser „senex velocissimus“ Klaus Ballerstedt, der allen Versu­chungen widerstand und mit seiner Plätte auf Platz 30 der Wertung landete!
In der Gesamtwertung führt nach drei Wettfahrten Eisheuer (Skippi 650 Race) vor Wernsdörfer (Z-Jolle) sowie Daxenberger (Maxi ½) und Rammelberger (one design). Das ist schon mal eine Ansage, auch wenn die künftigen Platzierungen der übrigen Teilnehmer jenseits von 20 Punkten der­zeit allenfalls Glaskugelcharakter haben. Vielleicht sehen wir nach der Sommerregat­ta des SCPC am nächsten Samstag (10.7.) etwas klarer.
Was bleibt von dieser Hitzeschlacht: Der eine oder andere Sonnenbrand, Zweifel an der Fähigkeit, rechtzeitig eigene Entscheidungen zu treffen, verlorenes Selbstvertrau­en also, und unendlich viel Material, mit dem alle, die dabei waren, ungläubige Kin­der und Enkel und Segelkollegen noch über Jahre langweilen können.
Natürlich hätte es scheinbar die Option gegeben, die Regatta gar nicht erst zu star­ten und stattdessen Tische und Bänke aufzubauen für einen spontanen Seglerhock. Wirklich verlockend! Nur wird sich das in Corona-Zeiten kein Verein kurzfristig trauen, ohne lange vorher tausend Anträge auf Genehmigung gestellt zu haben. Die andere Möglichkeit wäre eine Bahnverkürzung (Ziel an Tonne 1) gewesen. Wahrscheinlich waren die Kats schon durch, dann hätte immer noch Tonne 2 das Ziel sein können.
Für den nächsten Samstag prognostiziert Windfinder …. nein, sag‘ ich lieber nicht! Warum haben Sportwetten eigentlich das Regattsegeln noch nicht entdeckt? Wetter, Wind, Platzierungen – da gäb‘s doch echt was zu holen!
Übrigens: Meinem eingangs erwähnten Haustier war dieser Regattatag eine Lehre, zumindest vorübergehend: Sobald ich irgendetwas berühre, das auch nur im Geringsten mit dem Segeln zu tun hat (zB Wettfahrtregeln) verschwindet es blitzartig hinter oder unter einem Schrank.
Bis dann; ich muß jetzt mein Haustier füttern.