Entscheidung – oder Showdown verschoben ?

Bericht zur Feldwieser Langstrecke des SCCF vom 7.8.2021

(Konrad Bauersachs)Der Mensch an sich, also wohl auch der Segler, neigt dazu, Positives eher
zu vergessen als Negatives. Blendet man erzielte Regattaergebnisse mal aus, erinnert man sich
beispielsweise eher an einen Regattaabbruch wegen Kollision, Flaute oder Sturm als an
unerwartete nette Kontakte zu anderen Teams vor, während oder nach einer Regatta. (wie
„Magst a Bier?“ oder „is mir langweilig“ bei SCCF 2018) Positive Erinnerungen verbindet der
Segler ja stets mit guten Windbedingungen, die der SCCF für die letzten beiden
Chiemseemeisterschaft – Veranstaltungen verlässlich lieferte. Aber bitte nicht zu wenig Wind,
aber auch nicht so viel wie 2019, als 17 DNFs die Gesamtwertung zierten. Wie machen die
SCCF-ler das bloß? Bringen sie den Windgott Rasmus Trink- oder Brandopfer oder gar
Menschenopfer? Es gibt ja eine neue Vereinsleitung …
Zuverlässige Windvorhersagen waren schon im Bericht zur Sommerregatta des SCPC ein
Thema; damals gelobten Jörg und Windfinder Besserung und daran haben sie sich tatsächlich
gehalten. Lehrten sie uns noch vor 14 Tagen mit vorhergesagten 15 – 17 kts für den Regattatag
das Fürchten, wurden es Tag für Tag weniger, schließlich waren es beim Start nur noch 6 kts
in Böen. Bei einem späteren Start um 18:00 Uhr wären allerdings zu den schlechten
Sichtverhältnissen durch Starkregen auch noch Böen von 55 kts gekommen – eher
ungemütliche Segelbedingungen, aber herrliche Wellen zum Abreiten. (siehe Bilder am
Schluss)
Punkt 11:00 Uhr schickte die Wettfahrtleitung bei strahlend blauem Himmel 89 Boote
(Rekordteilnahme !) über die lange, perfekt ausgerichtete Startlinie auf den roten Kurs gegen
den Uhrzeigersinn. [Der grüne Kurs wäre segel technisch ohne Herausforderungen gewesen,
nur Spi bzw Gennaker- und Halbwindkurs: Das hätte bedeutet, nur einmal vor Seebruck
Halsen, Schiften oder Wenden – das wäre zu einfach] So gingen die Kats und Libera & Co als
erste auf den Kreuzkurs, sie und die Verfolger mussten mit einigen tückischen Drehern
zurechtkommen und ungeplante Holeschläge einbauen. Die Chieminger Bucht machte mit
einigen Böen Hoffnung auf etwas mehr Wind, war aber nix.
Ab Tonne 1 spielten bis zur Fraueninsel die Gleiter und die Boote mit den großen Gen und Spi
auf Raumschot- bis Vorwindkurs ihren Vorteil aus: In der Gesamtwertung finden sich nur eine
Handvoll Boote mit einem YS > 100 auf den vorderen Plätzen; wirklich positive Ausreißer
sind Hannes Bandtlow (SRV) mit Lady Luv, einem 5,5 m Klassiker (YS 106 – links) auf Platz
11 in der Gesamtwertung und Arndt Brendecke (SCCF) mit Cometino (YS 111- re.) auf Platz
26 .
Die ersten Kats passierten die Insel gegen 12:35, dicht gefolgt von einem der „Hauptverdächtigen“,
Peter Wernsdörfer, auf seiner 20er Rennjolle. Der abschließende Anliegerkurs war
kein Problem, vor der Ziellinie musste noch die letzte Tonne gerundet werden. Allerdings,
wie könnte es am Chiemsee anders sein, war der Wind aus Osten schon auf dem Weg ins
Wochenende und bereitete manchem Segler einen mühsamen Zieleinlauf: Wen‘s interessiert,
wo er gelandet ist:
chiemsee-meisterschaft.de/ergebnisse/
Letztlich erreichten aber alle, na ja, fast alle, rechtzeitig die Ziellinie:
Ein Teilnehmer hatte wohl in Erwartung oder in der Hoffnung auf Windfinders
Starkwindvorhersagen zusätzlichen Ballast in Form von mehreren Tragerln Bier gebunkert,
ohne an den veränderten Tiefgang zu denken, an den er beim zu knappen Passieren der Insel
mit einem knirschenden Geräusch schmerzhaft erinnert worden ist. Ende der Regatta also,
verbunden mit der „unangenehmen“ Pflicht, den „Ballast“ umweltgerecht zu entsorgen.
Für einen zweiten Teilnehmer war die Insel aufgrund einer kurzzeitig und vorübergehenden
Singularität oä (Bermudadreieckmäßig) nicht zu sehen und so segelte er den kürzesten Kurs
direkt ins Ziel. Ein interessanter Aspekt des Kat-Segelns ist übrigens die Möglichkeit, eine
Boje zwischen die Rümpfe zu nehmen und so der Segelanweisung (Boje steuerbord bzw
backbord passieren) auf jeden Fall zu entsprechen. Bei der Fraueninsel als Boje ist das
allerdings eine echte Herausforderung.
Nach dem Zieldurchgang ließ der Blick nach Westen für den windigen Schichtwechsel von
Ost auf West am Abend nichts Gutes erwarten und sorgte für einen unruhig-angespannten
Heimweg. Die Ruhe vor dem Sturm! Bange Frage: Schaffe ich‘s noch rechtzeitig in den
Hafen?
Nach der fünften Regatta der Chiemseemeisterschaft hat sich der Nebel in der Glaskugel
verzogen; im Moment hat Frank Eisheuer auf Skippi eindeutig die Nase mit 5.2 Punkten vorn;
der Abstand zu Peter Wernsdörfer mit insgesamt 8.0 Punkten ist größer als er scheint. Das
wird echt spannend, denn Wernsdörfer kann aus eigener Kraft nicht mehr an Eisheuer
vorbeiziehen und muss auf Fehler Eísheuers hoffen.
Theoretisch könnten beide Kandidaten (jeweils erste Plätze in den nächsten zwei
Wettbewerben vorausgesetzt) nach Streichern 5 Punkte haben, damit wäre aber definitiv
Eisheuer Chiemseemeister. Wer den Rechenweg bei Punktegleichstand nachvollziehen will,
kann sich hier informieren:
chiemsee-meisterschaft.de/meisterschaft/#wertung
g
Oder sollten wir uns ein Beispiel an den Olympiareitern nehmen und den Gesamtsieger der
Chiemseemeisterschaft ermitteln, indem wir den unmittelbaren Konkurrenten unbekannte
Boote zulosen? Vielleicht Plätten oder Optis ?? Mit Spi oder Gen ?? Dagegen ist High Noon
Kasperletheater.
Aber dann müssten wir ja für die Chiemseemeisterschaften der nächsten Jahre die
Segelanweisungen komplett ändern …. Da mag ich gar nicht dran denken.
Bei der Organisation der Langstrecke hat der SCCF alles vorbildlich richtig gemacht: Klare
Segelanweisung, klarer Meldeschluss, keine Nachmeldungen. Gut sichtbare und beschriftete
Tonnen mit GPS-Daten und eine laaange Startlinie für wenig Raumgeschrei. Und aus meiner
Sicht sehr erfreulich: Von den Teilnehmern (bzw deren Booten) hat das SCCF-Clubmitglied
und Fotograf Davor von Winterfeld auf dem kompletten Kurs zahlreiche Fotos geschossen –
siehe die Illustrationen. Dank an alle Helferinnen und Helfer !
Seglerisch werden die beiden letzten Läufe der Chiemseemeisterschaft wohl die Platzierung
des wahrscheinlichen Chiemseemeisters nicht mehr ins Wanken bringen können. Sehr eng
geht es auf den nächsten vier Plätzen und danach noch auf sieben weiteren Plätzen zu,
Vorhersagen sind hier wegen der Streicher nicht möglich. Es bleibt also auch jenseits der
Podestplätze sehr spannend! Also bitte fleißig melden !
Die Letzten beißen die Hunde, sagt man; aus SRV – Sicht war das unser Solingsegler
Friedrich Janus. Die Soling ist bei 6 kts Wind zum Hinterhersegeln verdammt und Friedrich
kam glücklicherweise im Schlepp einer Bavaria gerade noch rechtzeitig vor den ersten
brutalen Böen im Kranbecken an. Bei fliegendem Wasser will kein Segler auf dem See sein;
eine Stunde lang Böen mit 53 kts (ca 10,5 Bft) bei einer Basis von 31 kts (ca 7 Bft) bei
chaotischer Welle ist nicht jedermanns Geschmack. Da hilft nur Anker schmeißen, hoffen,
dass er hält und Kopf einziehen. Die Wasserwachtler aus Chieming, Seebruck und Prien hatten
zahlreiche Einsätze, Feuerwehren waren die ganze Nacht mit Kellerauspumpen und dem
Beseitigen umgestürzter Bäume beschäftigt.
Den aufmerksamen Leser/Leserinnen ist sicher nicht entgangen, dass ich hier einen
Regattabericht über eine Regatta geschrieben habe, bei der ich gar nicht dabei gewesen bin.
Das ist richtig (heul). Mir hat sozusagen das defekte Zündschloss meines Autos einen dicken
Strich durch die Regatta-Rechnung gemacht, weil ich am Samstag nicht von Rosenheim nach
Seebruck fahren und deswegen nur indirekt teilnehmen konnte: Über diverse Webcams,
Liveberichte einiger Teilnehmer und den Mix aus Kurs und Windvorhersage, mit dem ich
taktisch geplant hatte.
Für die Lieferung von Details bedanke ich mich bei Olaf Wittenberg, Nicole Knauer und
Friedrich Janus sowie bei SCCF-Sportwart Arndt Brendecke für dessen Geduld bei meinen
zahlreichen Rückfragen und für die Erlaubnis, die Fotos des SCCF „Hausfotografen“ Davon
von Winterfeld verwenden zu dürfen. Herzlichen Dank euch allen!
Übrigens: Das Auto fährt seit heute wieder, dem Weitsee-Rennerts des WVF steht also nichts
mehr im Wege !