Chiemseemeisterschaft die siebte – Das Herzschlagfinale

Nieselregen bei 10°C – unten Blick auf die Insel um 11:00. Eigentlich jagt man ja bei so einem Wetter wie am Samstag Morgen keinen Hund vor die Tür. Bleibt also der Hund zuhause und jagt Frauchen oder Herrchen zum Segeln an den Chiemsee und hat das Haus endlich mal für sich. Von wegen blöder Hund!

Und dann unterwegs zum Schlepp im Autoradio die freudige Nachricht für alle Schifahrer: 10 cm Neuschnee auf der Zugspitze…

Für 80 gemeldete Teams hieß das aber: Warm anziehen, Eissegeln oder Schiyachting war angesagt. Ganz so schlimm wurde es dann doch nicht! Wer aber nicht an Liebestöter (Funktionsunterwäsche heißt das jetzt) gedacht hatte, wurde mit rund 5 Stunden (An- und Abreise inbegriffen) Dauerbibbern bestraft und sehnte sich nach einer warmen Dusche. Wobei: aus medizinischer Sicht ist warmduschen (hier im wörtlichen Sinn zu verstehen) kontraproduktiv, wenn schon, dann ein Vollbad zum Durchwärmen. Frag‘ Deinen Arzt oder Apotheker!

Vorher mußte man ja erst mal nach Breitbrunn kommen: Unterwegs beim Schlepp wehte uns ein frischer 10-Knoten-Wind entgegen, schön zum Segeln und kühlt schön aus, wenn man sich nicht bewegen kann. Danach mit steifen Händen ankern oder in 5. Reihe im Paket festmachen. Gut für die Zitterer, dass die Zelte beheizt waren, die Plätze unter den Heizpilzen waren sehr begehrt. Das Frühstück – nach Wahl deftig oder süß – sowie heißer Tee und Kaffee trugen zur Erwärmung von innen und Energieversorgung gegen künftiges Frösteln bei.

Wettfahrtleiter Christopher Käßberger wies bei der Steuermannsbesprechung sehr deutlich darauf hin, dass Proteste, die mit der Wettfahrt nicht unmittelbar (z.B. wie zuletzt in 2018 Thema Yardstick) zu tun haben, nicht angenommen würden. Und dass Gennaker und Spi erst nach Überqueren der Startlinie gesetzt werden dürfen. Und dass Frühstarter keine Gnade erwarten dürfen. Gut so!

Des Wetters wegen war die WL auf ein Dickschiff mit Standheizung umgestiegen (Weichlinge!), alle Teams waren froh, als um 11:00 die Starttröte (geschrieben siehe das Wort echt komisch aus) trötete und die Startlinie freigab..

Auf dem Weg zum „Gate“ zwischen Frauen- und Krautinsel sorgte ein netter (ja, ich weiß, ist nicht seemännisch, aber war wirklich so), aber kalter 2er Wind aus NW bei dem Mann- und Frauschaften für Bewegung und Durchblutung der ausgekühlten Muskulatur. Viele der großen Boote luvten sich fleißig und fuhren einen weiten Bogen, andere setzten beim Start auf die linke Seite und nahmen den kürzeren Weg.

An der Krautinsel gab‘s dann eine Rettungsaktion zu bestaunen: Ein Teilnehmer hatte den Tiefgang seiner Yacht unter- oder den Wasserstand des Sees überschätzt, war aufgelaufen und mußte freigeschleppt werden.

Nach dem Gate gab‘s freie Fahrt Richtung Tonne Feldwies. Der Wind hatte hinter der Krautinsel auf einen 3er aufgefrischt (oder war‘s wegen der fehlenden Abdeckung?), manche Teams hatten beim Bändigen von Spi- und Gennakern Probleme, was aber nur an der ausgekühlten Muskulatur gelegen haben kann.

Ich selber habe getestet, wie lange es dauert, einen überfahrenen Spi zu bergen. Es dauert, kann ich sagen. Von da an habe ich taktisch klug das Feld von hinten kontrolliert und mich mühsam nach vorne gesegelt.

Die Raumschotstrecke Richtung Feldwies war auch ohne Spi Genußsegeln, nach der Tonne ging‘s auf die Kreuz zwischen Herreninsel und Autobahn und dann am SW Eck der Herreninsel vorbei direkt zur Boje an der Stippel-Werft. Die Frage war nur: Wie weit muß ich von der Insel weg sein für einen klassischen Anliegekurs, und wie weit dazu Richtung Rasthaus segeln. Wiederholte Winddreher von 10° in den Böen machten auch bei bester Planung gelegentlich einen kurzen Holeschlag nötig. Vor dem Erreichen der Schafwaschener Tonne drohten im Westen fiese dunkle Wolken mit viel Wind, letztlich drohten sie aber nur und alle Teilnehmer kamen unbeschadet ins Ziel.

Auf meinem Kurs in die Kailbacher Bucht kam mir in flotter Fahrt Peter Wernsdörfer auf seiner Rennjolle entgegen. War er bereits der neue Chiemseemeister?

Für alle, die‘s nicht gemerkt haben (erkennbar an der fehlenden Wärmeschutzkleidung) : Das Bild wurde NICHT beim 3-Buchten-Törn aufgenommen, sondern beim Weitseerennerts:

Für Span­nung bei der Chiem­see­meis­ter­schaft ja war im Vor­feld aus­rei­chend ge­sorgt, die Ent­schei­dung mußte in der letz­ten Wett­fahrt fal­len. Ver­gli­chen damit sind Hitch­cock-Kri­mis ein Poe­sie­al­bum.

Nach der 5. Wett­fahrt lag Werns­dör­fer wegen einer DNC-Wer­tung noch ab­ge­schla­gen auf dem 31. Platz, ganz vorne lag Eis­heu­er (Skip­pi), ge­folgt von den Buch­ners (Ba­va­ria 34 speed) und Klaus Schreil (J 80).

Die sechs­te Wett­fahrt bei Leicht­wind wir­bel­te die Plat­zie­run­gen kräf­tig durch­ein­an­der: Schreil schob sich auf den 1. Platz, Werns­dör­fer mach­te durch Strei­chen der DNC-Wer­tung einen Riesen­sprung nach oben, stand nun auf Platz 2, Eis­heu­er und die Buch­ners fie­len auf Platz 5 und 6 zu­rück.

Also hing alles am Er­geb­nis der sieb­ten Wett­fahrt. Aus­re­den wie Flau­ten­lö­cher gab es nicht, Wind gab‘s aus­rei­chend, ge­for­dert war Tak­tik und ein fei­nes Näs­chen für Wind­dre­hun­gen bzw wann oder ob man denn nun wen­den soll oder muß. Oder läßt man das Boot ein­fach lau­fen, nimmt einen Ho­le­schlag in Kauf oder bremst sich sel­ber mit stän­di­gen Wen­den aus.

Ganz of­fen­sicht­lich hat Peter Werns­dör­fer alles rich­tig ge­macht, für Buch­ners Team auf der Ba­va­ria wa­ren die Be­din­gun­gen bes­tens, Klaus Schreil konn­te da die­ses Mal nicht ge­gen­hal­ten.

Grund zum Vor-Fei­ern gab es also schon in Breit­brunn; die „rich­ti­ge“ Sie­ger­eh­rung mit Ver­ga­be der Son­der­prei­se und Ver­lo­sung der Sach­prei­se der Chiem­see­meis­ter­schaft–Spon­so­ren an alle Teil­neh­mer, die min­des­tens 5 Läufe mit­ge­se­gelt sind, fin­det am 26.10. um 18.00 Uhr beim CYC statt.

Der SCBC hat sich für die Teil­neh­mer ei­ni­ges ein­fal­len las­sen: Schon am Nach­mit­tag waren wir zu Kaf­fee und Ku­chen ge­la­den Auch in die­sem Jahr wur­den wir abends vom aus­ge­zeich­ne­ten Ca­te­ring-Ser­vice ver­wöhnt und nutz­ten die legendä­re Cock­tail-Bar für die geis­ti­ge Er­wär­mung. Neben der Hei­zung, vie­len Dank dafür – wurde gerne ge­nom­men – sorg­te auch ei­ni­ges See­manns­la­tein für hit­zi­ge und er­wär­men­de Ge­sprä­che.

Danke an die zahl­rei­chen flei­ßi­gen Hel­fe­rin­nen und Hel­fer und Ku­chen­bä­cke­rin­nen (denen gilt mein per­sön­li­cher Dank) im Hin­ter­grund. Dank auch an die WL für den rei­bungs­lo­sen Ab­lauf und be­son­ders an Aga­thon König, der es auch dies­mal in Re­kord­zeit ge­schafft hat, in die Liste der Wett­fahr­ten 1-6 das ak­tu­el­le Ma­na­ge2­Sail Er­geb­nis der letz­ten Wett­fahrt ein­zu­ar­bei­ten und zu ver­öf­fent­li­chen.

Eine einsame Soling nach dem Zieldurchgang auf dem Heimweg nach Seebruck

Auch wenn die Chiem­see­meis­ter­schaft 2019 lei­der zu Ende ge­gan­gen ist, nicht trau­rig sein: Für die Unentweg­ten blei­ben noch ei­ni­ge zum Teil stress­freie Re­gat­ta­t­er­mi­ne rund um den Chiem­see :

VomBisVereinRegatta / NameKlassen
14.09.1915.09.19SRVAlpen-CupTempest
14.09.1914.09.19YCG/WSGSeehäuslcupYst.
14.09.1914.09.19SCIWLudwig-Lackner-Gedächtnis-RegattaYst.
14.09.1915.09.19BSCFPokalregattaSunbeam 22 und Z-Jolle
14.09.1914.09.19CYC3. Lauf Chiemsee Classic CupHolzboote gern Ausschr.
20.09.1922.09.19SCPCPrien City Cup Germany, 2.4mR2.4mR und Sonar
21.09.1922.09.19SCBCOptimus-CupOpti B/C
21.09.1921.09.19SG Katek3. Lauf JugendpokalYst.
21.09.1921.09.19SCCFZwetschgendatschi – RegattaYst.
28.09.1928.09.19YCG/WSGKraut- und Rüben RegattaYst.
28.09.1928.09.19CYC10. AbendregattaYst.
03.10.1903.10.19WVFLindchen CupPlätten/Schratzen
03.10.1906.10.19VSaCAsso European OpenAsso 99
04.10.1906.10.19RSCCBay. JugendmeisterschaftSurfer
04.10.1904.10.19RSCCBavarian MastersSurfer
06.10.1906.10.19RSCCChiemsee Insel-MarathonSurfer
20.10.1920.10.19CYCHerbstpokalOpti A/B
20.10.1920.10.19SCBC420er Trophy420er

Beim entspannten Heimsegeln nach Seebruck hatte ich an der Krautinsel plötzlich eine Halluzination; hat mir da jemand beim Frühstück irgendwas Psychodelisches untergejubelt?

Genau da, wo nach dem Start eine Yacht aufgelaufen war, kam mir mit schäumender Bugwelle ein Wikingerschiff entgegen. Augen zu, Kopfschütteln, Augen wieder auf: Es war noch da und kam näher. Mit Wikingern sollte man sich nicht anlegen, also nix wie weg.

Übrigens: Wer selber mal Wikinger sein will, sich wie Wicki oder Hägar der Schreckliche fühlen, Segel setzen oder rudern will wie ein Galeeren-Sklave, kann dies hier ausprobieren: https://www.chiemsee-meisterschaft.de Unter Segel dürfte der Wendewinkel allerdings bei 170° liegen, der Yardstick wohl jenseits der 500. Up and Down wäre nicht möglich, allenfalls Down. Gerudert und unter Motor schaut‘s aber besser aus. Da kommt man zumindest in den Heimathafen zurück!